Gedenken an die Wiederstandskämpfer des 20. Juli 1944

Es gehört zur guten Tradition der Friedensstadt Osnabrück, das am 20. Juli der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 gedacht wird. Die offizielle Veranstaltung der Stadt endete mit einer Rede des Oberbürgermeisters Wolgang Griesert. Im Anschluß daran legten die Vorsitzende der SPD Osnabrück und der Osnabrücker SPD-Franktionsvorsitzender Frank Henning einen Kranz für die SPD nieder. Danach hielt Antje eine Rede, die es Wert ist, wiedergegeben zu werden.

Kollage – Ermordete Sozialdemokraten
Von Links: Heinrich Niedergesäß, Wilhelm Mentrup, Heinrich Groos, Fritz Szalinski

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen,

in einer Studie der Bertelsmannstiftung gab die Mehrheit der Deutschen an, dass sie die Geschichte der Judenverfolgung hinter sich lassen wolle, 58% wollen gar einen Schlussstrich unter die Geschichte ziehen!

Es gibt keinen Schlussstrich in der Geschichte! Und dieser Teil der Geschichte ist in seiner Abartigkeit so einzigartig, dass er gar nicht vergessen werden kann! Er gehört zu unserer Identität – ob wir wollen oder nicht! So weit Anja Reschke in einem Kommentar in der Tagesschau zum 70 Jahrestag der Befreiung von Auschwitz!

Und so gehören Gedenktage ,wie der heutige, zu den wichtigen Tagen im Jahr, Tage die uns erinnern und uns jedes Mal aufs Neue berühren und betroffen machen und die uns nicht vergessen lassen was geschah und uns hoffentlich helfen zu verhindern, dass es wieder geschieht.

Es sind auch Tage des Gedenkens an Menschen, die versucht haben das Beste für andere Menschen zu erreichen und auch deswegen einen qualvollen Tod fanden.

Wir stehen heute vor diesem Mahnmal, das, wie es eingemeißelt ist, den „Opfern für Wahrheit und Freiheit“ gewidmet ist.

Es wurde errichtet auf der Basis eines Stadtratsbeschlusses vom 05.September 1961, ganz kurz nach dem Mauerbau, in dem es hieß:

„In einer Zeit brutaler Verletzung der Menschenwürde durch staatliche Gewalt beschließt der Rat der Stadt Osnabrück, das Andenken jener Männer und Frauen zu ehren, die ihr Leben gaben im Aufstand gegen die Verhöhnung des Rechts und die Unterdrückung der Freiheit:“

Seit 1964 gedenken wir an dieser Stelle vor allem der Widerstandskämpfer des 20.Juli 1944, wie Oberst Graf Stauffenberg und Generaloberst Ludwig Beck , und des Tages der Befreiung vom Hitlerfaschismus am 08.Mai 1945.

Wir wollen uns aber auch an diejenigen erinnern, die bereits seit 1933 aufopferungsvoll Widerstand geleistet haben.

Die Zahl der Sozialdemokraten, Kommunisten und Linkssozialisten, die von den Nazis ermordet wurden, geht in die Zehntausende. Sie vor allem waren es, die in die ersten deutschen Konzentrationslager gepfercht, misshandelt und oft schon früh ermordet wurden.

Der 20.Juli 1944 ist vor allem auch mit Opfern aus der Arbeiterbewegung verknüpft. Deutschlandweit bekannt sind prominente Sozialdemokraten wie Julius Leber, Wilhelm Leuschner oder Adolf Reichwein.

Vergessen wird in der Erinnerung an den 20.Juli häufig das Nachspiel des Attentats: Es ist nämlich weit weniger bekannt, dass seinerzeit etwa 6000 Regimegegner – wiederum vorwiegend aus den Arbeiterparteien – im Zuge der sogenannten Aktion Gewitter verhaftet und zum großen Teil ermordet wurden.

Die Osnabrücker Opfer unter ihnen wurden im Arbeitszuchtlager Augustaschacht inhaftiert. Die Aktenlage der Gestapo berichtet über 39 Sozialdemokraten, 10 Gewerkschafter und 3 Kommunisten. Vom Augustaschacht wurden viele direkt ins KZ Neuengamme deportiert und verloren dort ihr Leben.

Für einige von Ihnen beendete ihre Ermordung ein Martyrium, dass sich schon mit der Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 angekündigt hatte. Damals waren nahezu alle führenden SPD- und Gewerkschaftsfunktionäre verhaftet und zum Teil bestialisch misshandelt worden.

Am Ende waren es mindestens 5 Osnabrücker Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die durch Nazi-Gewalt den Tod fanden: Schon 1933 starb der Fraktionsvorsitzende Gustav Haas nach Misshandlungen.

Und 11 Jahre später fanden Fritz Szalinsky, Heinrich Groos, Wilhelm Mentrup und Heinrich Niedergesäß den Tod im Zuge der Verfolgungen nach dem 20.Juli 1944.

Ihr Tod beendete für alle 4 einen langen Leidensweg:

Heinrich Niedergesäß wurde 1937 als ehemaliger Parteisekretär wegen Hochverrats zu zunächst anderthalb Jahren Haft verurteilt und anschließend – bis 1941 – ins KZ Buchenwald eingeliefert. 1944 wurde der gelernte Buchdrucker 62 jährig, zunächst ins Arbeitszuchtlager Ohrbeck , dann ins KZ Neuengamme deportiert. Sein Leiden endete unmittelbar vor Kriegsende auf einem versenkten Häftlingsschiff in der Lübecker Bucht.

Einen ähnlichen, bewusst herbeigeführten Tod fand Wilhelm Mentrup, Sozialdemokrat und vormalig Verwaltungsdirektor der Osnabrücker AOK ,dessen Häftlingsschiff am 03.Mai 1945, ganze 5 Tage vor Kriegsende und der Befreiung versenkt wurde.

Einen endlosen Leidensweg erlebte seit 1933 auch der ehemalige Gewerkschaftssekretär Heinrich Groos, der sich schon 10933 vergeblich im Vehrter Naturfreundehaus vor SA und SS versteckt hatte um seiner ersten Verhaftung und Misshandlung zu entgehen. Auch Groos verschleppten die Nazis nach dem 20.Juli nach Neuengamme, wo der 68 jährige noch am 12.Dezember des gleichen Jahres umkam.

Ebenso die Stationen Ohrbeck und Neuengamme durchlebte der ehemalige Metallgewerkschaftssekretär Fritz Szalinski. Sein Tod erfolgte angeblich durch Pleuritis und Herzinsuffizienz. Die Witwe erhielt mit dem Poststempel des KZs eine penibel aufgelistete Liste mit ärztlichen Leistungen.

Diesen 4 Opfern , die wir auch als Genossen nie vergessen werden, erweisen wir heute unsere Ehrerbietung.

Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.